Zwischennutzung im Quartier: “Ein Laden”-Initiatorinnen im Interview

Im Mai 2012 eröffnete “Ein Laden” in der Friedrich-Wilhelm-Straße 47 seine Türen. Die beiden HBK-Studentinnen Sina Pardylla und Marie Schröter beschäftigen sich im Rahmen ihrer Masterarbeit mit der Thematik “Ladenleerstand und Zwischenraumnutzung“. Im Interview mit Falk-Martin Drescher berichten sie über Ihr Projekt, Wünsche und Ziele.

Wie kam es dazu, dass ihr euch mit der Thematik “Ladenleerstand und Zwischenraumnutzung” auseinandersetzt?

Leerräume sind Möglichkeitsräume – denn wo nichts ist kann alles sein. Die Zwischennutzung eines Leerstandes heißt für uns, Gestaltungsräume zu nutzen um dort kreativ interagieren zu können. Das ist es ja eigentlich auch womit wir als Gestalterinnen tagtäglich konfrontiert sind – egal ob nun die Räume imaginär oder real sind.

Die Aufgabe eines Designers ist es, auf eine kreative, ungewöhnliche Art und Weise Lösungen für Probleme zu entwickeln. Die Ladenleerstände in Braunschweig bilden grauen Löcher im Stadtbild, die auf Außenstehende unbefriedigend wirken. So geht es auch uns. Durch einen Zeitungsartikel in der “neuen Braunschweiger” sind wir auf die Initiativen der Stadt Braunschweig, die versucht dem entgegenzuwirken, aufmerksam geworden und haben uns schlussendlich dazu entschlossen dies zum Thema unserer Masterarbeit im Fachbereich Kommunikationsdesign an der HBK-Braunschweig zu machen.

Unsere Intention ist es diese Leerräume wieder zugänglich zu machen, um einerseits etwas für die Menschen im Viertel, anderseits aber auch etwas für das Viertel zu tun. Räume müssen geöffnet werden, um ihnen wieder Leben einzuhauchen. Und wieso sollte ein Raum überhaupt über eine längere Zeit leer stehen, wo es doch genug tolle Initiativen und Gruppierungen gibt, die dringend nach Räumen suchen und die unsere Gesellschaft bunter und belebter  machen würden?

Der Stadtraum ist grundsätzlich ein Gebiet mit dem wir uns schon längere Zeit auseinandersetzten. Das ist vermutlich auch unserer Generation geschuldet. Urbanität ist ins unserer Generation, die mit Skateboards und Inlineskates groß geworden ist, Teil unserer Identität. Das urbane Leben gehört zu unserem Lebensraum und hat auch unseren Blick auf die Stadt beeinflusst. Gleichzeitig sind wir beide geboren Braunschweigerinnen, dies ist also unser zu Hause. Uns mit unserer Stadt auseinander zu setzen ist also selbstverständlich.

Außerdem ist die Idee der Zwischennutzung für uns nicht völlig neu. Wir konnten schon in Projekten wie “Vorübergehend*geöffnet” (IF-Concept Award) oder “Projekt Brache” – beide Projekte sind im Designlabor Bremerhaven entstanden –  einiges an Erfahrungen sammeln.

Was reizt euch so sehr am Kultviertel?

Sowohl von den Menschen, als auch von den Geschäften ist das Viertel sehr heterogen und deshalb absolut spannend und inspirierend für das Projekt. Hier treffen Kontraste aufeinander, es ist immer etwas los und man kommt leicht mit den Menschen ist Gespräch, was für unser Projekt sehr bereichernd ist. Außerdem können wir viel von unseren Nachbarn abgucken und gleichzeitig aber auch viel weitergeben. Wir wurden auch freundlich im Viertel empfangen und fühle uns sehr wohl.

Außerdem ist die Lage natürlich super. Es gibt hier sehr viel Laufkundschaft. Historisch gesehen war die Straße natürlich noch viel wichtiger als heute, als Verbindungsstück zwischen dem alten Hauptbahnhof, Hauptpost und der Innenstadt. Aber auch heute bildet sie eine wichtige Verbindung für Fußgänger, Radfahrer und Nutzer der Öffentlichen Verkehrsmittel zwischen dem westlichen Teil der Stadt und dem östlichen und liegt direkt an der “Feier-Meile”. Dementsprechend unterschiedliche Besucher und Interessierte hatten wir auch schon bei uns.

Wie stellen wir uns eure Arbeit in dem Laden selbst vor?

Der Laden befindet sich im ständigen Prozess. Im Moment ist er so etwas wie ein “Infopoint”, in dem wir an das Thema der “Zwischennutzung” heranführen möchten. Gleichzeitig möchten wir aber auch die Augen für ungenutzte Flächen in der Stadt öffnen.
Wir haben feste Öffnungszeiten, an denen die Leute uns besuchen und mehr über das Thema erfahren können. Das Herz unseres Ladens ist im Moment ein Archivschrank, der im Laufe des Projektes mit unterschiedlichen Informationen, Fundstücken und Erinnerungen gefüllt werden soll.

Zur Zeit beinhaltet dieser eine Reihe an Zwischen- oder Umnutzungsprojekten aus anderen Städten und Ländern, die eine Idee davon geben sollen, was möglich ist.
Gleichzeitig möchten wir an Ort und Stelle Konzepte ausarbeiten und uns mit dem Viertel und der Stadt auseinander setzen. Wir versuchen unsere Arbeit transparent zu gestalten – zum Beispiel durch unseren Blog blog.sproessling-design.com - und in den Dialog mit den Menschen, die den Laden frequentieren, zu treten.

Nachdem wir einen Einblick in das generelle Thema der Zwischennutzung gegeben haben, wollen wir uns in einem nächsten Schritt mit dem Standort beschäftigen, was war, was ist und was werden kann …

Wir befinden uns mit unserem Projekt ja bisher auch noch am Anfang und da wir uns den Prozess offen halten wollen, kann noch alles passieren. Wir hoffen natürlich auf einen konstruktiven Austausch nach Außen, deshalb auch der Name ›EIN LADEN _‹. Gerade arbeiten wir daran Barrieren aus dem Weg zu räumen, wahrgenommen wurden wir ja mittlerweile schon.

Wie können sich Interessierte einbringen bzw. beteiligen?

Momentan kann man sich in erster Linie an unserem offenen Archiv beteiligen, das sich in den Prozess-Stadien noch wandeln wird. Derzeit stellen wir Projekte vor, die sich mit dem Thema “Umnutzung / Zwischennutzung” beschäftigen. Wir wollen für die Idee begeistern und dazu ein_laden und anregen sich selbst Gedanken dazu zu machen. In unserem Archiv kann man sich aber nicht nur informieren, sondern auch selbst Kommentare hinterlassen, Ideen formulieren oder Projekte hinzufügen.

Außerdem sammeln wir momentan richtig hässliche Kleidungsstücke – etwas das man schon immer loswerden wollte. Pro Person kann bei uns eine Kleiderschrankleiche entsorgt und somit etwas vom alltäglichen Ballast abgeladen werden. Wir recyceln das Ganze und machen daraus etwas Neues. Unsere “schreckliche-Kleidung-Entsorgungsstelle” ist noch bis Mitte Juni geöffnet und wir freuen uns über Input.

Ansonsten sind wir für jegliche Anregungen von außen offen, und hoffen in gewisser Weise auch darauf. Wie wir dies genau gestalten werden, erarbeiten wir uns gerade. Alles weitere wird verraten wenn es soweit ist.

Wie ist eure Resonanz auf den Projektstart?

Bisher sehr positiv. Wir haben schon unsere Nachbarn und den einen oder anderen, der sich öfters auf der Straße aufhält oder dessen täglicher Weg hier vorbei führt, kennen gelernt. Unsere Eröffnung war erfreulich gut besucht und wir haben viele interessante Gespräche geführt. Wir hoffen, dass das Interesse nicht abbricht, aber dafür werden wir uns natürlich auch einsetzen.

 

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